· Archiv 2023

"Gut gemeinte, aber nicht abgestimmte Hilfslieferungen helfen leider nicht"

Erdbeben in der Südost-Türkei und Syrien. Foto: Sinan, Türkischer Roter Halbmond

Die Zahl der Erdbebenopfer in der Türkei und Syrien steigt weiter. Internationale Hilfsteams machen sich auch aus Deutschland auf den Weg in die zerstörten Gebiete. Welche Hilfen sie brauchen, um helfen zu können, erklärt Rebecca Winkels vom DRK.

rbb|24: Auch in Berlin und Brandenburg gibt es Menschen, die Angehörige in den Erdbebengebieten haben. Einige wollen vor Ort helfen. Raten Sie von einer Reise ab? Wenn ja - warum?

Rebecca Winkels, Pressesprecherin Deutsches Rotes Kreuz Deutschland: Wir raten dringend dazu, hier die Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes zu beachten. Das Auswärtige Amt warnt derzeit vor einer Reise in die Erdbebengebiete, diese Einschätzung teilen wir. Vor allem aufgrund der nach wie vor unübersichtlichen Lage vor Ort und möglichen Gefahren durch Nachbeben.

Könnte ihr Rat anders ausfallen, wenn in zwei oder drei Wochen die akuten Rettungsaktionen abgeschlossen sind?

Selbstverständlich kann sich an dieser Einschätzung im Verlauf der Zeit etwas ändern, weshalb das Auswärtige Amt seine Reise- und Sicherheitshinweise regelmäßig aktualisiert und über den aktuellen Stand informiert.

Was könnten die Menschen stattdessen für ihre Angehörigen oder Freunde tun?

Gerade in Notsituationen ist emotionale Unterstützung besonders wichtig und der enge Kontakt zu Angehörigen und Freunden hilft natürlich vielen. Leider können wir als Rotes Kreuz in der akuten Situation keine Form der Einzelfallhilfe leisten. Wir bemühen uns, gemeinsam mit unseren Schwestergesellschaften, dem Türkischen Roten Halbmond sowie dem Syrischen Arabischen Roten Halbmond, humanitäre Hilfe nach dem Maß der Not zu leisten.

Wenn eine Katastrophe - wie jetzt - eintritt, ist es am wichtigsten zu wissen, wo die Angehörigen sind und wie es ihnen geht - ob sie überlebt haben, ob sie Hilfe brauchen. Dies gilt natürlich auch für die in Deutschland lebenden Angehörigen, die keine Nachricht von ihren Nächsten im Erdbebengebiet in der Türkei oder in Syrien haben.

Worauf kommt es jetzt bei der Hilfe in den Erdbebengebieten an? Wann können Angehörige damit rechnen, etwas über ihre Familien in Erfahrung zu bringen?

Als erstes finden vor Ort Suchaktionen nach Verschütteten und Rettungsmaßnahmen statt. Das kann für Angehörige im Ausland extrem belastend sein - auch, weil in den ersten Stunden und Tagen in den betroffenen Regionen noch keine Suchanfragen aus dem Ausland bearbeitet werden können. In dieser akuten Phase der Katastrophe hat der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes noch keine Informationen des Roten Kreuz- und Roter Halbmond-Suchdienstnetzwerks erhalten.

Zudem gibt es noch keine Entwarnung in der Region. Bis die Suchdienste des Türkischen Roten Halbmonds und des Syrischen Arabischen Roten Halbmonds Suchanfragen aus dem Ausland beantworten können, wird es wohl noch etliche Tage dauern. Ob eine sogenannte Family-Links-Website geschaltet wird, auf der sich Betroffene selbst registrieren und angeben können, dass es ihnen gut geht, wissen wir noch nicht. Wir können den Angehörigen zurzeit leider nur zu Geduld raten und dazu mit den Familienmitgliedern, mit denen es möglich ist, Kontakt zu halten.

Die Hilfsbereitschaft ist enorm. Welche Art von Spenden werden derzeit benötigt?

Aktuell hilft man am besten mit finanzieller Unterstützung für humanitäre Organisationen. Damit Hilfe tatsächlich ankommt, ist es wichtig, dringend benötigte Logistik- und Hilfeleistungsstrukturen nicht unnötig zu belasten oder gar zu blockieren.

Gut gemeinte, aber nicht abgestimmte Hilfslieferungen füllen Lagerhäuser, binden Transport- und Sortierkapazitäten. Sie helfen leider nicht, sie behindern die humanitäre Arbeit vor Ort. Geldspenden sind gegenüber Sachspenden eine deutlich effektivere Art der Hilfe.

Der große Vorteil von Geldspenden ist, dass die bedachte Organisation damit die Möglichkeit hat, die Verwendung der Mittel flexibel sich ändernden Verhältnissen und einer sich verändernden Bedarfslage in den betroffenen Gebieten anzupassen. Was in sich sehr schnell ändernden Situationen absolut erforderlich ist. So kann letzten Endes noch besser sichergestellt werden, dass die Gelder in den Bereichen eingesetzt werden können, in denen der Bedarf - mit Blick auf das Tätigkeitsspektrum des Roten Kreuzes - jeweils am größten ist.

Quelle: Sendung: rbb24 Abendschau, 07.02.2023, 19:30 Uhr